* Baguettenfragen und Wurstbohrer *
⇒ 08:10 Uhr, ich betrete den Salon und sehe Holger bereits auf seinem angestammten Platz sitzen. Er hat schon mal den Tisch gedeckt und prophylaktisch für jeden einen U-Berg hingestellt. Kaum daß ich sitze, hält er mir eines der kleinen, braunen Fläschchen mit den Worten: "Was soll der Geiz? Prost!" entgegen. "Eh Husti, Du auch?", frage ich. "Nö, jetzt noch nicht, erst nach dem Frühstück.". "Wie nach dem Frühstück? Da nehmen wir noch Einen!".

⇒ 08:16 Uhr, Grube aktiviert sein . Der Smutje belegt die Teller mit den bereits von mir vermuteten und insgeheim auch erhofften Rühreiern. Weil heute Sonntag ist und die Geschäfte geschlossen sind, gibt es aufgebackene Baguetten. Morgen sieht die Sache dann schon viel besser aus. Da die Baguettenfrage -zumindest theoretisch- geklärt wurde, sollte es eigentlich frische Baguetten vom Bäcker geben.
Baquettenfrage: In den letzten Jahren hat Quaddel die Messlatte ganz weit nach oben gelegt. Egal wo wir waren, er hat es -Kilglass mal ausgenommen- fast immer geschafft frische Morgenbaguetten für's Frühstück zu organisieren. Wo er die allerdings besorgt hat, ob im Supermarkt oder konspirativ an der Tankstelle, hat er nie verraten. Das ist so eine Art Betriebsgeheimnis von ihm.
Da Quaddel dieses Jahr leider nicht mit zur Crew zählt, hat sich Grube auf unserer letzten Jahreshauptversammlung "freiwillig" bereiterklärt, diese verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen. Ob er aber an Quaddel's Organisationstalent rankommt, wird sich erst in den nächsten Tagen zeigen.
⇒ 08:32 Uhr, Husti schmiert sich 'Grubenschleim' auf's Baguette. Das hätte ich ihm echt nicht zugetraut. Bisher war Grube immer der 'Alleinesser' dieses Erzeugnisses. Da bekommt der Ausdruck "Die Geschmäcker ändern sich" eine ganz neue Bedeutung. Während Husti genüsslich an seinem Grubenschleimbguette nagt, ziehe ich es vor noch etwas von der köstlichen Thüringer Leberwurst zu kosten. Als ich die vom Teller nehme, entdecke ich das Unfassbare. Irgend so ein Dilettant hat sich da schon dran zu schaffen gemacht. Ich kann mir nicht verkneifen zu sagen:"Wenn das der 'Bauleiter' sieht, da gibt's Gemecker!". Die promte Antwort von Husti:"Genau, da war der gemeine Wurstbohrer am Werk!". Für Außenstehende sei hier erwähnt, daß bei unserem Smutje die Wurst immer geschnitten werden muss und nicht gebohrt werden darf.

⇒ 08:44 Uhr, Grube jammert schon wieder, daß er immer noch nicht kacken war. "Da hilft nur ein U-berg!". Holger hat das Signal sofort verstanden und greift ins 'U-Fach'
 
 


 
   * Hechte, Rammstöße und viel Stress *
⇒ 09:24 Uhr, der Diesel tuckert und Dieter macht die Bootsleinen ab. Rückwärtsgang, leicht Gas, 'Ausparken', Steuer hart Backbord, Vorwärtsgang und wieder leicht Gas. Die Tour 2011 hat soeben begonnen. Das erste Etappenziel ist Dromod. Ich schätze, so gegen 14:00 Uhr werden wir dort sein. Der kleine Hafen ist Windgeschützt und bei gutem Wetter ein geeigneter Platz um die alljährliche Hammelkeule unter freiem Himmel zu genießen.

⇒ 09:28 Uhr, Kaum sind wir unter der Brücke von Carrick On Shannon durch, hat Holger schon die Angel im Wasser. Vier Minuten später hat auch Grube sein Fanggerät in Position gebracht.

⇒ 10:10 Uhr, wir sind im Lough Corry. Der Himmel wir langsam blau, die Wolken werden immer weniger, die Sonne ist schon zu erkennen und der Wind hat nachgelassen. Husti lässt das erste Guinness des Tages ein. Sláinte!

⇒ 10:40 Uhr, gerade biegen wir in den Jamestown Canal ein, als der Himmel komplett aufreißt. Jetzt ist strahlender Sonnenschein und absolute Windstille. Außer dem kaum zu vernehmenden Motorengeräsch unseres Diesels und Vogelgezwitscher herrscht absolute Stille. Herrlich, so macht Bootfahren und Angeln Spaß.Der erst vor wenigen Jahren parallel zum Kanal gebaute unendlich lange Anleger ist voller Privatboote. Ich schätze mal, daß davon höchsten 20% bezahlt sind. Der Rest gehört sicher den Banken bzw. steht bestimmt zum Verkauf. Tja, auch Irland hat die fetten Jahre hinter sich. Das verdeutlichen auch die vielen "For Sale" Schilder an den etlichen neu gebauten, leerstehenden Häusern und Wohnanlagen entlang des Shannon.

⇒ 11:02 Uhr, die Tore von Albert Lock stehen offen und wir können gleich einfahren ohne vorher erst noch vor der Schleuse anlegen zu müssen. Grube bannt diese Aktion auf Video und kommentiert die Einfahrt wie ein professioneller Radioreporter. Das Schleusen selber geht mit Routine über die Bühne und dauert nicht mal zehn Minuten.

⇒ 11:24 Uhr, wir haben die Railway Bridge hinter uns und drehen eine Runde auf dem Lough Tap. Husti ist gerade dabei die Luft aus den Guinnessgläsern raus zu lassen als der Ruf "Halt, Hecht!!" ertönt. Es war Holger. Der langjährige Leser des Tourtagebuches weiß jetzt sicher schon bescheid. Richtig, Grube ist schlagartig still und kreidebleich geworden. Es hat wieder nicht geklappt. Der Titel "1. Hechtfänger 2011" ist vergeben. Auf Grund akuter Suizidgefährdung wird er ab sofort unter besonderer Beobachtung gestellt. 

⇒ 11:26 Uhr, nach dem obligatorischen Bild für's Fotoalbum sowie Begutachtung des Fanges durch den Smutje wird der Fisch getreu dem Motto "catch & release" wieder zurück ins Wasser gelassen.
catch & release: Auf gut Deutsch "fangen und wieder frei lassen". Bevor jetzt die Tier-, Fisch-, Umwelt- oder sonstige Schützer drohend den Finger erheben und uns als Tierquäler oder gar Mörder hinstellen, möchte ich folgendes darlegen.
Von den von uns gefangenen Hechten enden maximal drei bis vier in der Pfanne. Der Rest geht "schonend" wieder zurück in den Shannon. Ausgehend von dem Gesetz, daß pro Tag und Person nur ein Fisch bis 50cm getötet werden soll/darf, wir fünf Personen und sechs Tage unterwegs sind, dürften es sogar Dreißig sein. Aber so viel braucht man nun wirklich nicht. Es sei denn, man gehört zu einer gewissen Spezies sogenannter "Angler", die jeden gefangenen Fisch als Trophäe außen am Boot aufhängen müssen. Ob die damit ihre "Manneskraft" oder was auch immer dokumentieren wollen, entzieht sich meiner Kenntnis. Früher hat man sich gegenseitig die Länge vom Doedel gezeigt und die Fronten waren geklärt. 
Ich denke, daß wir mit drei oder vier getöteten Hechten nicht wirklich zur Ausrottung der Hechtbestände im Shannon beitragen. Okay, sicher sind für einige Hardliner auch diese Hechte Drei zu viel. Aber dann ist auch Jeder, der Steak, Wurst, Eier und Milch im Kühlschrank hat, Handtaschen und Schuhe aus Leder bzw. Pullover aus Schurwolle trägt, oder sogar Daunenfedern im Kopfkissen hat, ein potentieller Tierquäler. Mal ehrlich, gibt's wirklich Menschen, die nichts von all diesen Dingen haben?
⇒ 11:38 Uhr, "Halt Hecht!". Grube ist erlöst, endlich hat bei ihm auch ein Fisch angebissen. Und für ihn das Wichtigste, seiner ist Größer als der von Holger. Der Lough Tap scheint ein 'fängiges' Revier zu sein. Wir drehen jetzt schon die dritte Runde und Holger schlägt 11:56 Uhr nochmal zu. Diesmal entscheidet der Smutje allerdings zu Ungunsten des Fisches.

⇒ 12:06 Uhr, ich verspüre den inneren Drang mal schnell die Keramikschüssel besuchen zu müssen. Da Husti gerade neben mir sitzt, bitte ich in kurz das Steuer zu übernehmen. Wir befinden uns gerade auf dem 'schmalen' Stück zwischen Lough Tap und Lough Bofin. Nach einer kurzen Einweisung wie er die Marker 'nehmen' muss, verschwinde ich unter Deck. Als ich zurückkomme stelle ich fest, daß unser Smutje die Sache im Griff zu haben scheint. Da kann ich mir ja in Ruhe noch ein Zigarillo genehmigen bevor ich wieder das Steuer übernehme.

⇒ 12:12 Uhr, Husti hält genau auf einen Marker zu. Ich gebe ihm den Rat etwas weiter nach rechts zu fahren. Mit den Worten:"Das passt schoo!", zieht er das das Ruder ziemlich heftig nach Steuerbord. Allerdings hat er nicht bedacht, daß ein Boot nicht wie ein Auto lenkt sondern über das Heck ausschwenkt um die Richtung zu ändern. Das ist dann auch der Grund für eine 'leichte' Kollision zwischen unserem Heck und dem Marker. Ich:"Du bist ein echter Held, am besten Du gehst wieder in deinen 'Hobbyraum', da kannst Du wenigsten keinen Schaden machen!". Husti:"Was heißt hier Schaden? Das musst Du erst mal schaffen, mit dem allerletzten Fender den Marker zu rammen, mach mir das mal nach!". 

⇒ 12:30 Uhr, wir sind auf dem Lough Boderg und ich habe das Steuer wieder selber in der Hand. Holger und Grube haben die Angeln beiseite und ich den Gashebel auf den Tisch gelegt. Der Grund dafür ist der Smutje. Laut seinem Zeitplan ist der Braten in ca. einer Stunde fertig. Das heißt, bis dahin müssen wir in Dromod sein.

⇒ 12:35 Uhr, Holger fordert mich auf sofort zu stoppen. "Meine Angel ist weg, wir müssen umkehren!". Er rennt nervös auf dem Sonnendeck hin und her "Weg, die ist weg, ins Wasser gefallen!". Zum Glück stellt sich die ganze Sache aber als falscher Alarm heraus. Die Angel ist nicht weg, sondern nur nach hinten auf die Badeplattform gerutscht. Nach diesem Stress haben wir uns einen Whiskey verdient. Dieter kommt gerade mit der Flasche in der Hand zurück auf Deck, da verbreitett Holger schon wieder Hektik.

⇒ 12:46 Uhr, der Wind hat ihm seine Kappe vom Kopf und über Bord geweht. Für mich ist das eine reine 'Routineübung'. Gas weg, wenden, links, rechts, rückwärts, noch ein Stück vor und schon hat Dieter das gute Stück am Bootshaken. Nun gibt’s aber endlich 'nen Whiskey. Denkste! Jetzt macht der Smutje wieder Hektik wegen dem Mittagessen.
 
 


 
   * Gasmänner, Tabuthemen und Zwischenschritte *
⇒ 13:18 Uhr, bei strahlendem Sonnenschein liegen wir in der Marina von Dromod. Ich stehe ganz oben auf der Flybridge und mache eine 360° Videoaufnahme für die diesjährige Tour-DVD. Holger, Dieter und Grube sind eifrig damit beschäftig den Tisch zu decken. Genialerweise steht neben unserem Boot auf der Wiese ein Tisch mit Bänken und ausreichen Platz für mindestens 5 Personen plus die dazugehörigen Getränke. Wenn ich so die Menge an Destillaten sehe, die da jetzt schon auf dem Tisch stehen, gehe ich davon aus, daß wir heute hier übernachten werden.

⇒ 13:24 Uhr, endlich ist es soweit, Husti reicht den Hammelbraten und die Thüringer Klöße aus der Kombüse. Als verantwortlicher Tourdokumentator stehe ich -bewaffnet mit Grubes Videokamera- Gewehr bei Fuß um das Geschehen für die bereits erwähnte DVD zu konservieren. Unmittelbar nachdem ich den Knopf "Record" gedrückt habe, geht die Kamera wieder aus. "Drecksding!", fluche ich und schalte das Teil wieder ein. Recordknopf, und wieder wird's dunkel. Scheiße, ausgerechnet jetzt sind die Akkus alle. Kein Problem denke ich, du hast ja für den Notfall noch einen Fotoapparat mit Videofunktion. Da mein Fotoapparat zum Glück noch Deutsch spricht, kann ich hier den "Aufnahme"-knopf drücken. "Akkuladung zu niedrig" steht da plötzlich im Display. Ich werde wahnsinnig, das gibt's doch gar nicht. Der Smutje ist schon am Nölen:"Mensch komm jetzt her, das Essen wird kalt!". Grube ergänzt noch mit den Worten:"Und der Whiskey wird warm!". Das ist mir jetzt aber egal, runter in meine Kajüte und die Akkus vom Fotoapparat gewechselt. So, jetzt kann ich wenigsten noch schnell eine 'Notaufnahme' machen. 

⇒ 13:44 Uhr, ein Lob der Kombüse! Es war wie immer köstlich. Obwohl es vor und nach dem Essen schon einen Whiskey gab, muss jetzt trotzdem ein U-Berg zur Verdauung her. Da es bis zum Boot nur zwei Meter sind, melde ich mich freiwillig diese Angelegenheit zu erledigen. Dieter lässt inzwischen noch 'ne Runde Guinness ein.Die Stimmung wird zusehends besser. Neben dem guten Wetter -es sind momentan 24,5°C in der Sonne- und dem Alkohol, trägt auch der USB-Stick mit der geilen Musik dazu bei. Holger nennt es 'Geile Mugge'. Momentan läuft gerade der Titel "I'm a Beliver" von den Monkees, 'echt geil', um mal im Jargon zu bleiben. 

⇒ 14:30 Uhr, Grube beschwert sich, daß er versucht hat Barbara anzurufen, und die nicht ans gegangen ist. "Da ist bestimmt gerade der 'Gasmann' oder der 'Zählerableser' zu Besuch. Die wird froh sein, daß Du mal weit weg bist.". "Ne, ne, meine Barbara liebt nur mich", sagt Grube. "Das kann ja sein, aber auch deine Barbara braucht ab und zu mal etwas Abwechslung!"

⇒ 14:34, Uhr, wahrscheinlich um das Thema zu wechseln schenkt Grube den letzten Rest "Kappogue Castle" in die Whiskeygläser. "Den hab ich zu Weihnachten 'geschonken' bekommen", erzählt er uns. "Lass mich raten, von Barbara, stimmt's?". Womit der Ball wieder im Spiel ist und wir prompt beim Thema Hupen und Frauentausch landen. An dieser Stelle muss ich leider abbrechen. Ab hier wird's für die Öffentlichkeit zu detailliert. 

⇒ 14:54 Uhr, ich hab zwar keine Ahnung wieso, aber irgendwie sind wir auf das Thema Tanzen gekommen. Normalerweise unterhält 'Mann' sich ja eigentlich nicht über so etwas. Unter Männern zählt das eher zu den Tabuthemen. Es soll ja sogar Exemplare geben, die tragen T-Shirts mit der Aufschrift "Echte Kerle tanzen nicht!". Okay, da wir aber nun schon mal bei dem Thema gelandet sind, will ich es auch nicht einfach so unter den Tisch fallen lassen.
Grube ist nämlich tanzmäßig gesehen eine absolute Ausnahme. Er wird in einschlägigen Kreisen auch "Der Eintänzer" genannt. In seiner Zeit 'vor der Kur' hat er auf allen Festivitäten, die 'mit Anhang' durchgeführt wurden, unsere Ehefrauen bzw. Lebensabschnittsgefährtinnen 'betanzt'. Auf gut Deutsch, er hat uns den Rücken frei gehalten. Dadurch war es möglich, sich den wichtigen Sachen im Leben -zum Beispiel Bier trinken- widmen zu können und einer öffentlichen Blamage zu entgehen. Nebenbei konnten wir sogar noch den Anweisungen unserer Ärzte -keine hektischen und ruckartigen Bewegungen zu machen- Folge leisten. 
Jetzt plötzlich eröffnet uns Grube, daß er nicht mehr tanzt bzw. nicht mehr tanzen kann. "Wie, Du tanzt nicht mehr, seit wann denn das?", frage ich. "Na weil Barbara immer mit 'Zwischenschritt' tanzen will, und das kriege ich nicht hin. Ich kann keinen Zwischenschritt.", antwortet er.Das klingt ja wirklich nicht gut, was er da von sich gibt. Ich sehe schon die zukünftigen 'mit-Anhang' Veranstaltungen in die Hose gehen. Da muss ich als bekennender 'Nichttänzer' direkt mal über meinen eigenen Schatten springen. "Das ist alles kein Problem.", sage ich:"Wenn Du mir versprichst weiterhin unsere Frauen zu 'beschäftigen', dann lerne ich Dir auch den Zwischenschritt.".