Das Machtwort

06:30 Uhr, Grube lacht (?) Ich bin mir für den Moment nicht sicher ob der nur irgendwas lustiges träumt, oder ich selber nur geträumt habe, daß Grube lacht. Vorsichtig und ohne mich zu bewegen, was für Grube ein willkommenes Signal wäre die Nachtruhe als offiziell beendet zu betrachten, blinzele ich nach links. Grube liegt grinsend und mit Kopfhörern auf den Ohren im Bett. Gut, der ist im Prinzip 'beschäftigt' und die Chancen stehen gut, das Ende der Nachtruhe doch noch etwas hinauszuzögern.

07:20 Uhr, ich werde wieder aus dem Schlaf gerissen. Diesmal aber nicht durch meinen lachenden 'Mitbewohner' sondern durch ziemlichen Lärm aus dem Salon bzw. der Kombüse. Der Smutje kann das meines Erachtens nicht sein. Der war gestern viel zu besoffen um jetzt schon wieder zu funktionieren. Dieter ist in der Regel um diese Uhrzeit auch noch nicht in der senkrechten Position anzutreffen. Das kann also nur Holger oder Quaddel sein. Holger weil die Angel ruft und Quaddel weil er entweder 'ne Fressattacke hatte, oder die Altersboshaftigkeit eines Ü-60'jährigen ihn aus dem Bett getrieben hat .

07:46 Uhr, es wird immer lauter. Jetzt reicht's, ich muss ein 'Machtwort' sprechen. Wutentbrannt und mit den Worten:"Es gibt hier Individuen an Bord, die den ganzen Tag pennen, kaum am öffentlichen Leben teilnehmen um dann zu nachtschlafender Zeit den Leuten auf den Sack gehen zu können!!!" reiße ich die Kajüten-Tür auf. Etwas überrascht und erschrocken von diesen Worten blicken mich zwei Augenpaare an. (Es bedarf nicht wirklich viel Intelligenz um herauszufinden wem diese gehören.) Rums!! Tür wieder zu.  


       Lädierte Nasen, Fehlalarme und Rohrsperren

08:14 Uhr, Quaddel deckt den Frühstückstisch. Entweder um sich einzukratzen oder um nicht untätig rumzusitzen zu müssen. Er erzählt, daß er auf die Uhr geschaut hat und es 'schon' zehn nach acht war. "Klasse, schon so spät, jetzt 'darf' ich aufstehen! ". Der Hirni Hat seine Uhr nicht umgestellt. Mal abgesehen davon, daß die Uhren in Irland sowieso anders gehen, ist es hier nämlich um diese Zeit erst 07:10 Uhr.

08:20 Uhr, Dieter tut die Nase weh. Rein optisch sieht die auch etwas lädiert aus. Jetzt wird mir einiges klar. Ich glaube, das Guinness was er gestern Abend plötzlich in der Hand hatte, und ich nicht einordnen konnte, hat er sich nicht am Tresen geholt sondern hart 'erkämpft'.  

08:26 Uhr, genau nach Plan gibt es am Tag-1 der Tour 'Gedeck 1' zum Frühstück. Damit der U-Berg nicht immer so planlos und liederlich auf dem Tisch rumsteht, hab ich den in eine dekorative Mini-Getränkekiste einsortiert.

08:38 Uhr, die eben erwähnte Getränkekiste ist leer.

08:40 Uhr, die Sonne scheint. Wenn das so bleibt, wäre das der perfekte Auftakt für die Tour-2013.

08:56 Uhr, noch 'ne schnelle Runde U-Berg.

09:00 Uhr, Grube macht Meldung an "B." mit Hilfe seines Mobiltelefons. Dieter füllt die Wassertanks und der Rest der Crew wurde vom Smutje zum Küchendienst verpflichtet. Ich selber befreie den Steuerstand oben auf der Flybridge vom nächtlichen Regenwasser und lege bzw. stelle mir das für die Navigation benötigte Equipment (Karte, Fernglas und Guinnessglas) bereit.

09:40 Uhr, der Diesel tuckert. Holger und Dieter lösen die Leinen und ab geht es Richtung Süden. Das Wetter sieht sehr gut aus. Die Sonne scheint und es geht kein Wind. Ideale Bedingungen also für die erste Etappe der Tour-2013. Unser heutiges Tagesziel ist Terryglass.

09:44 Uhr, wir sind noch nicht richtig unter der Brücke in Banagher durch, da fängt Holger schon an zu drängeln:"Sagst Du bescheid wenn wir angeln können?". "Ja doch!", sag ich, "lass mich wenigstens noch bis hinter den 5kmh Marker fahren. Dann kannst Du deinen Gummifisch ins Wasser lassen!". Der ist ja wie so ein Junki, der früh kurz vor sechs an der Tanke steht und wartet bis er endlich Zugang zum Regal mit dem Alk bekommt.

09:56 Uhr, Dieter scheint sich für heute viel vorgenommen zu haben. Der steht jetzt schon mit 'ner Flasche Jameson neben mir. Prost!

10:00 Uhr, der hat sich wirklich viel vorgenommen. Als ich mich zum Sonnendeck rumdrehe, lässt der gerade sechs Guinness ein.

10:04 Uhr, gerade als ich mein Guinness ansetzen will:"Halt! Hecht!". Grube macht plötzlich Stress. Ich stelle mein Glas wieder ab, nehme das Gas raus und versuche das Boot in Position zu halten. "Scheiße! Abgerissen!", tönt es von hinten. "Kannst weiterfahren!". Das soll mir recht sein. So kann ich wenigsten mein 'Morgen-Guinness' genießen.

10:38 Uhr, Dieter steht schon wieder mit der Whiskeypulle neben mir.

10:50 Uhr, "Halt! Hecht!", diesmal macht Quaddel Panik. Wieder Gas weg, Rückwärtsgang, … "Kannst weiterfahren!", ruft's plötzlich. "Wollt ihr mich testen, oder was?", frage ich zurück.

10:58 Uhr, wir haben in Meelick Lock festgemacht.

11:16 Uhr, die Schleuse liegt hinter uns. Es ist jetzt plötzlich ziemlich windig geworden und auf dem Shannon bilden sich die ersten kleinen (also wirklich nur ganz kleine) Wellen. Für den Smutje ist damit aber die Schmerzgrenze erreicht. Der verdreht schon wieder die Augen und verzieht sich in seinen 'Hobbyraum'. Ich schätze mal, wenn wir heute bei diesem 'Wellengang' über den Lough Derg fahren würden, wären wir morgen 'Selbstversorger', also essenstechnisch gesehen.  

11:30 Uhr, Dieter bringt mir jetzt schon das 3. Guinness. Ich habe den Verdacht, der will mich besoffen machen.

12:00 Uhr, jetzt steht der wieder mit dem Whiskey neben mir. Es fällt mir schwer, aber ich muss leider ablehnen. "Nee, ich muss mal aussetzen, wir haben noch ein ganzes Stück zu fahren Junge!".

12:22 Uhr, "Ich sehe schon, mit Angeln wird heute nichts mehr. Ich gebe einen aus!", höre ich Dieter von hinten rufen. "Nö danke, für mich erst mal nicht!", rufe ich prophylaktisch zurück. Nicht das der auf die Idee kommt mir schon wieder die Pulle zu reichen. Es ist ja nicht so, daß ich nicht will. Aber wie gesagt, wir haben noch ein Stück zu fahren.

12:32 Uhr, Dieter bringt mir 'ne Brühe mit Ei. Endlich mal was, was nicht dreht.

12:36 Uhr, wie nicht anders erwartet. Genau in dem Moment als die Brühe ihre Trinktemperatur erreicht hat, und ich die Tasse ansetzen will:"Halt Hecht!". Zum Glück war's aber nur wieder ein Hänger von Quaddel. Um gleich von vornherein Sexismus -Vorwürfen entgegenzuwirken, hier die obligatorische Klarstellung. Bei dieser Art 'Hänger' handelt es sich um einen Grund- oder Pflanzenhänger. Auf gut Deutsch, der Angelhaken hat sich am Grund oder irgendwelchen Wasserpflanzen festgehangen.

12:46 Uhr, ich fasse es nicht. Dieter steht schon wieder mit der Whiskeypulle neben mir. "Na gut, damit Du endlich Ruhe gibst. Aber nur ein 'winziges' Schlückchen!". Der Ordnung halber nippe ich nur mal kurz an der Flasche. Nippen ist hier schon fast übertrieben. Eigentlich mache ich mir nur die Zunge 'nass'. Aber Dieter scheint endlich Ruhe zu geben. Der hat jetzt den angelnden Teil der Crew im Visier. "Nächstes Jahr wird für die Angler ein 'Vorbereitungs- und Auffrischungskurs' gebucht. Da dürfen nur noch Leute mit Zertifikat aufs Boot!", höre ich in sagen. "Genau!", antworte ich. "Und die Kursfinanzierung geht natürlich auf eigen Kosten!". "Das sowieso!", meint Dieter. Ich ergänze noch:"Und solange kein richtiger Fisch am Haken und vor allem an Bord ist, wird für Angler eine absolute 'Rohrsperre' ausgesprochen!".

13:02 Uhr, es ist verdächtig still an Bord. Ich drehe mich um und sehe Dieter mit zwei Angeln in der Hand auf einem der Plastikstühle sitzen. Das heißt, mindestens zwei Personen an Bord sind momentan damit beschäftigt Wasser zu lassen.

13:18 Uhr, jetzt fordert auch mein Pinkelmännchen eine Belohnung von mir. Da der Shannon hier ziemlich breit ist und fast bis zum Horizont keine Kurve oder ähnliche Gefahrenstelle in Sicht ist, übergebe ich das Steuer kurz an Dieter. Hoffentlich geht das gut.Als ich unter Deck komme, sehe ich Husti durch die offen stehende Kabinentür auf seinem Bett liegen. "Wie jetzt, schläfst Du etwa während der Dienstzeit?", rufe ich ihn etwas aufmuntern wollend. "Nö, mir geht's irgendwie Scheiße.", sagt er. "Hat das Boot zu sehr geschaukelt, oder hast Du gestern zu viel gesoffen?", frage ich. "Nö, keene Ahnung, irgendwie Kreislauf und Kopfschmerzen.". Ich lege noch mal nach:"Du musst mal raus hier aus deiner Bude und mehr am öffentlichen Leben teilnehmen!". Husti grinst nur müde.

13:24 Uhr, ich übernehme wieder das Steuer. Dieter hat das Boot erstaunlich 'genau' auf Kurs gehalten.  

13:50 Uhr, wir haben am Anleger vor Portumna Bridge festgemacht. Laut Navigation Guide wird die Brücke erst wieder 15:00 Uhr geöffnet. Ich habe das dumme Gefühl, das könnte 'ne ganz 'harte' Stunde werden.


       Ein harter Nachmittag und ein schmerzlicher Ausfall

14:02 Uhr, ich höre von unten aus dem Salon die Worte:"Gib mal dem da oben noch 'nen Schluck!". Reden die über Gott, oder was?!? Nee, die meinen mich! Dieter steht plötzlich neben mir und reicht den letzten Schluck aus der Jameson.

14:20 Uhr, zur Zeit sind 50% der Crew außer Gefecht gesetzt. Husti geht's immer noch schlecht. Dieter, dessen letzte Aktion die Reichung vom letzten Schluck Whiskey war, pennt. Holger befindet sich ebenfalls in der Waagerechten. Aber bei dem ist das normal um diese Uhrzeit, da schläft der immer. Wenigstens sind Grube und Quaddel noch wach und halten gemeinsam mit mir die Stellung.

14:36 Uhr, die Destillate vom heutigen Tag scheinen langsam aber sicher bei mir im Hauptrechner anzukommen. Wenn ich mir den 'Rest' der Crew so anschaue, scheint das bei denen ebenso zu sein. Wir sitzen gemeinsam oben auf der Flybridge und genießen den Tag. Die Welt ist schön!

14:48 Uhr, Grube behauptet, er habe Magenschmerzen. Nach kurzem Überlegen stelle ich fest, daß es mir genau so geht. Quaddel hat die Sache ebenfalls schnell erkannt und nickt auch. Grube holt drei U-Berg. Er begründet das damit, daß wenn er 'ne neue Flasche Jameson geholt hätte, wir da auch bloß keine Ruhe hätten so lange da noch was drin ist. Das ist zwar 'ne sehr gewagte Theorie, aber manchmal ist eben weniger mehr. 

15:00 Uhr, pünktlich auf die Minute wird die Brücke geöffnet. Ich gebe Quaddel die Anweisung sich schon mal mit 'ner Handvoll Euros auszustatten um den Brückenzoll zu entrichten. Überrascht stellen wir fest, daß scheinbar keine Brückengebühr mehr erhoben wird. Jedenfalls steht da keiner mehr mit 'ner 3m langen Holzstange und 'nem Klingelbeutel vorne dran und wartet auf den Einwurf diverser Münzen.

15:16 Uhr, wir befinden uns bereits auf dem Lough Derg. Grube kommt schon wieder mit 'ner Runde U-Berg, und Quaddel lässt noch drei Guinness ein. Nur gut, daß Terryglass schon in Sicht ist. Lange halte ich das nicht mehr aus, es sei denn wir werfen hier vor Ort den Anker.

15.36 Uhr, wir haben an der Außenmauer der Marina angelegt. Im geschützten Innenbereich ist kein Platz mehr. Da ist es komplett überfüllt. Die Boote liegen teilweise schon im dreier Paket nebeneinander. Sowas hab ich in 18 Jahren Irland noch nie erlebt. Bisher haben wir immer reichlich Platz gefunden. Selbst hier in Terryglass haben wir schon mutterseelenallein im Innenbereich gelegen.Allerdings haben wir jetzt ein mittelschweres Problem, und das heißt Smutje. Bei dem Wind und Seegang hier ungeschützt die ganze Nacht draußen liegen, da wird aus meiner Theorie von heute Vormittag bitterer Ersnst. Dann sind wir morgen nämlich definitiv 'Selbstversorger'.

15:50 Uhr, die komplette Crew redet auf mich ein, und fordert mich auf das Boot in den Innenbereich umzusetzen. Ich lehne aber kategorisch ab. Auf jeder Autobahn sind Schilder zu lesen:"Bei Alkohol die Hände weg vom Steuer!". Und ein Auto ist bestimmt einfacher einzuparken als so ein 12m Boot.
Angesichts der Tatsache, daß bei einem Ausfall vom Smutje aber auch der komplette Urlaub schon nach dem ersten Tag zu Ende wäre, lasse ich mich dann doch zu dieser Aktion überreden.

16:04 Uhr, das sieht zwar total beschissen aus, aber rein vom Einparken war das 'ne Glanzleistung. Wir stehen rückwärts und quer zum Anleger, links und rechts durch je ein zweier bzw. dreier Paket Boote begrenzt in einer ca. 4,5m breiten Lücke. Ich glaube, komplett nüchtern hätte ich das nie im Leben auf Anhieb so hinbekommen. Ich nöle noch 'ne ganze Weile rum, wie beschissen das aussieht. Die Crew fordert mich aber auf endlich Ruhe zu geben und an Bord zu kommen, das Essen ist fertig.

16:10 Uhr, der alljährliche kulinarische Höhepunkt steht an. Es gibt wie immer am Tag-1 die legendäre Hammelkeule mit Thüringer Klößen und grünen Bohnen. Leider wird das Ganze dieses Jahr etwas eingetrübt. Bis zur letzten Knobizehe kämpfend und sich für das leibliche Wohl der Crew aufopfernd, hat ihn sein aktuell nur suboptimaler Allgemeinzustand vom Herd gerissen. Der Smutje liegt im Bett. Aber pflichtbewusst und unter größten Anstrengungen hat er es trotzdem geschafft sein Werk zu vollenden, bevor es ihn endgültig dahingerafft hat. Ich glaube im Namen der kompletten Crew sprechen zu dürfen, wenn ich heute posthum nochmals diese 'heroische' Tat würdige.

16:12 Uhr, Dieter sitzt scheinbar regungs- und sprachlos in der Ecke, Quaddel steht am Herd und legt auf, Holger und Grube reichen die Teller hoch. Ich versuche diese nicht wirklich befriedigende Gesamtsituation auf Video zu bannen. Da stehen ja noch nicht mal die Gläser geschweige denn das Guinness oder U-Berg auf dem Tisch. Nee, das wäre beim Smutje nicht passiert. In Zeiten als der noch funktioniert hat, kam das Essen mit viel mehr Liebe und Niveau auf den Tisch. Ich kann nur hoffen, daß der bald wieder das Kommando über Herd und Tisch bekommt. Wir müssen alles erdenkliche tun, damit das so schnell wie möglich passiert.

16:40 Uhr, das Menü war vom feinsten. Ein wohl temperiertes Guinness und der U-Berg haben die Sache abgerundet. Jetzt noch ein Zigarillo und 'nen Jameson dann kann der Tag von mir aus zu Ende gehen.

17:02 Uhr, ich habe das Gefühl mein Hauptrechner will mit aller Macht in den Energiespar-Modus fahren. Meine Augendeckel haben der Erdanziehungskraft auch nicht mehr viel entgegenzusetzen. Langsam gehen mir die Lichter aus. Ich entscheide mich für einen gepflegten Verdauungsschlaf.

Hier war dann für mich der Tag zu ENDE!

Wie sich später herausstellen wird, war das auch beim Rest der Crew der Fall. Später ist mir dann zu Ohren gekommen, daß Holger, der cleverer Weise die Wartezeit vor Portumna Bridge nicht mit 'ner Pulle Whiskey sondern mit einem ausgiebigen Mittagsschlaf verbracht hat, als einziger noch mal in die senkrechte Position gekommen ist und das Boot auf ein Guinness im "The Derg Inn" verlassen hat.


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