Syncronisationsprobleme

07:50 Uhr, da ist sie wieder, diese Ungewissheit am Morgen danach. Es scheint so, als ob sich das Gehirn einfach noch nicht entscheiden kann oder will. Immerhin stehen drei Dinge zur Auswahl. Entweder schaukelt das Boot, wackeln beim Blick aus dem Fenster die Laternenmasten oder der 'Hauptrechner' selber, bedingt durch die Destillate vom gestrigen Tag, hat einfach noch Probleme mit der 'Synchronisation'. Wie auch immer, es ist einfach ein Scheißgefühl wenn sich ringsum alles zu drehen, oder wackeln scheint. Im normalen Leben ist ja in solchen Momenten ein sogenanntes 'Reparaturpils' das beste Gegenmittel. Leider sieht es aber in unserer 'Bordapotheke' eher schlecht mit solcher Art Medizin aus. Wobei ich mir allerdings vorstellen könnte, daß ein gepflegtes 'Guten Morgen Guinness' die gleiche, heilende Wirkung haben könnte.

08:00 Uhr, heute bin ich direkt mal froh endlich das gewohnten Geklapper aus der Kombüse zu hören. In diesem speziellen 'Ausnahmefall' ist das nämlich ein gutes Zeichen. Gut im Sinne von wieder hergestellter Funktionalität unseres Smutjes.


       Getarnte Touristen und Penisverlängerungen

08:20 Uhr, Holger meint:"Wir dürfen nicht abreisen lassen!", und reicht mir 'nen U-Berg. Gut, ein schönes Pils wäre mir jetzt lieber, aber ein U-Berg macht zumindest keinen weiteren Schaden.

08:34 Uhr, der Smutje serviert Spiegelei und aufgebackene Baguetten. Er selber gönnt sich seinen Anteil von der gestrigen Hammelkeule. Es ist ungemein beruhigend zu sehen, daß er wieder höchstpersönlich den Service übernommen hat. Somit ist der Urlaub doch noch nicht zu Ende. Im tiefsten Inneren hab ich mich auch schon damit abgefunden heute nicht wie ursprünglich geplant über den Lough Derg zu fahren. Das kann und will ich dem Smutje nicht zumuten.

09:06 Uhr, ich helfe Dieter beim auffüllen der Wassertanks. Der hat sich etwas 'mädchenhaft' weil an der Mauer genau unter dem Wasseranschluss ein Scheißhaufen liegt. Angesichts der für Irische Verhältnisse doch recht außergewöhnlich hohen Anzahl von Hunden, die heute hier am Anleger rumlaufen, ist das keine große Überraschung. Da könnten sogar noch wesentlich mehr solcher nachts im Schutz der Dunkelheit heimlich deponierten Tretminen auftauchen. Wenn Husti zu 100% fit und im Vollbesitz seiner sonst üblichen Fähigkeiten wäre, könnte er bestimm an Hand des Geruchs jeden einzelnen Haufen dem entsprechenden Boot bzw. dessen Eigentümer zuordnen.  
Apropos Husti, wo steckt'n eigentlich der Smutje? Von Holger erfahre ich, daß der auf der Suche nach einer Telefonzelle ist. Ich frage mich, was der schon wieder mit 'nem Telefon will? Bisher dachte ich immer, daß nur Grube an dieser Krankheit leidet. Ob das vielleicht ansteckend ist?

09:18 Uhr, Unschuld heuchelnd und als sei es das Normalste auf der Welt, daß man um diese Uhrzeit vom Landgang zurückkehrt, kommt Husti die Kaimauer entlang geschlendert. Als Tourist getarnt, um vom wahren Grund seines Landgangs abzulenken, trägt er demonstrativ und gut sichtbar seinen Fotoapparat in der Hand.

09:00 Uhr, Grube telefoniert ebenfalls. Der steht aber dazu, und tut's wie gewohnt 'öffentlich'.

09.30 Uhr, vom Sonnendeck ist ein bekanntes Zischen zu hören. Das geschulte Ohr erkennt sofort, daß da eine Büchse (Dose für alt-Bundesländler) Guinness geöffnet wird. Quaddel meint:"Ich wollte mal probieren ob das schon schmeckt.". Das ist 'ne gute Idee. Denn nur durch probieren kann man das auch herausfinden.
Das Sonnendeck macht im Moment seinem Name alle Ehre. Die Sonne scheint und dann noch ein "Guten Morgen Guinness", was will 'Mann' mehr?

10:16 Uhr, wir legen ab und fahren wieder Richtung Norden. Da die Brücke in Portumna erst 11:00 Uhr öffnet, haben wir jede Menge Zeit. Deshalb habe ich den 'Schongang' eingelegt und lasse den Diesel bei 1000 rpm tuckern.

10:40 Uhr, kurz vor Portumna überholen uns ein paar jugendliche Rotzer mit einem Speedboot. Ich gehe mal davon aus, die sind von Beruf Sohn und das Boot ist "Sponsored by Papa". Demonstrativ geben die auf unserer Höhe richtig Stoff, wenden und ziehen noch zwei Schleifen um uns herum.
Sonntags bei schönem Wetter vor der Eisdiele im Dorf, da mag sowas vielleicht beim weiblichen Teil der Gäste ankommen, aber auf mich macht das keinerlei Eindruck.

10:50 Uhr, unser Boot liegt am Anleger vor Portumna Bridge. Hinter uns sammeln sich langsam immer Mehr Boote die ebenfalls Richtung Norden wollen.

10:56 Uhr, wir bereiten uns auf die Brückendurchfahrt vor. Holger reicht 'ne Runde U-Berg.

11:00 Uhr, wie bereits auf der Herfahrt öffnet die Brücke auf die Minute genau. Ich winke die Boote hinter uns vorbei und starte den Diesel. Nachdem uns die anderen Boote passiert haben legen wir ab.

11:08 Uhr, kurz hinter der Brücke, es darf wieder geangelt werden. Holger, Grube und Quaddel haben Stellung bezogen. Da hier oben auf der Flybridge die Entlüftung von der Kombüse endet, kann ich immer, und das auch ohne Kenntnis vom aktuellen Speiseplan, genau vorhersagen was es zu Mittag gibt. Heute zum Beispiel wird es Linsen mit Speck geben.

11:24 Uhr, von hinten ist wieder so ein wohlklingende Zischen zu hören. Als ich mich umdrehe wird mein Verdacht, oder sagen wir meine Hoffnung bestätigt. Dieter füllt die Guinnessgläser.

11:56 Uhr, der Smutje ist zu mir auf die Flybridge gekommen mit dem Hinweis, daß aus Reihen der Crew eine Brühe gewünscht wurde. Er fragt ob ich 'für'n Fünfer oder Fuffzehn' haben will. Mit 'nem Kapitänsgehalt kann man sich natürlich Brühe für Fuffzehn leisten.  

11.58 Uhr, der Smutje ist kaum weg, da steht Dieter schon wieder mit 'ner Guinnessbüchse neben mir. Jetzt geht das schon wieder los. Dem Gruppenzwang folgend, lass ich mir mein Glas auffüllen. Es ist wirklich nicht leicht sich immer auszuschließen.

12:08 Uhr, der Himmel zieht sich zu. Es bleibt aber trocken und Wind kommt auch nicht auf. Im Heckbereich herrscht absolute Ruhe, keine Sprüche, keine Kampfansagen, nichts, einfach nur Totenstille. Das Einzige was jetzt noch mit mir kommuniziert ist die Kombüsenentlüftung. Und die sagt mir, daß die Brühe kurz vor der Fertigstellung stehen muss.

12:12 Uhr, die Entlüftung hat nicht gelogen. Dieter bringt mir 'ne Brühe mit Ei.

13:04 Uhr, bis auf die bereits erwähnte Brühe gibt es nichts Neues zu berichten, außer das Holger das Handtuch geschmissen hat. Nur noch Quaddel und Grube halten die Stellung bzw. die Angeln.

13:20 Uhr, wir haben in Meelick vor der Schleuse angelegt. Offiziell ist bis 14:00 Uhr Mittagspause. Eine gute Gelegenheit selber auch Mittag zu machen.

13.28 Uhr, es gibt Linseneintopf. Das wird geräusch- und geruchstechnisch bestimmt ein interessanter und abwechslungsreicher Nachmittag.  

14:10 Uhr, in der Schleuse sind auch noch zwei Jetski-Fahrer mit ihren 'Spielgeräten'. Das ist auf dem südlichen Shannon, zwischen Meelick und Portumna bis in den oberen Teil vom Lough Derg, regelrecht zur Seuche geworden. Früher waren hier nur ab und zu mal paar Leute mit Wasserski unterwegs. Aber jetzt gehen einem zusätzlich diese schwimmenden Nervensägen auf den Sack. Okay, in anderen Ländern dienen halt dicke oder schnelle Autos als 'Penisverlängerung'. Aber hier in Irland, bei den Straßen, die Fähigkeiten eines Porsche oder gar Ferrari auszureizen zu wollen …. Ich weiß auch nicht so recht ob das 'ne gute Idee wäre. Da muss halt alternativ der Shannon als 'Rennpiste' herhalten.


       Pimpel, Pferdeäpfel und Betthupferl

14:28 Uhr, der Anleger hinter der Schleuse wir kurzentschlossen als Liegeplatz für die kommende Nacht auserwählt. Das heißt, ich habe ab jetzt dienstfrei und kann mich ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, dem Genuss von alkoholischen Getränken hingeben. Auf Grund der Tatsache, daß es hier weit und breit keinen Pub gibt, könnte das nach den anstrengenden letzten zwei Tagen ein ruhiger und erholsamer Abend werden. Aber einen 'Heimabend' pro Tour haben wir ja sowieso immer eingeplant.

14:50 Uhr, Zeit dem Körper mal etwas Wasser zu gönnen. Die drei Duschen an Bord laufen im Akkord. Zum Glück verfügt unser Boot über genügend große Wassertanks. Bei sparsamen Umgang mit dem reinigendem Nass, können problemlos sechs "Mann" duschen. Bei sechs Frauen allerdings, …. Ich schätze, spätestens nach der Zweiten gäbe es kein Wasser mehr. Gleichzeitig wären dann auch alle vom Bootsvermieter gestellten Hand- bzw. Duschtücher, das sind immerhin in Summe zwölf Stück, im Korb für die Schmutzwäsche gelandet.  

14:54 Uhr, irgendwie läuft das Wasser in der Dusche nicht richtig ab. Ich kann mich an Zeiten erinnern, da gab es unterm Waschbecken einen Knopf mit dem man eine Pumpe aktivieren konnte. Den haben die jetzt aber scheinbar eingespart. Zur Sicherheit checke ich noch mal das Armaturenbrett am Steuerstand ob es da einen neuen oder zusätzlichen Schalter gibt. Kann ja sein, daß der sich jetzt aus sicherheitstechnischen Gründen außerhalb vom Spritzwasserbereich befindet. Aber Fehlanzeige, kein Schalter und demzufolge auch keine Pumpe. Man setzt sicher aus Kostengründen auf 'Selbstentleerung' durch Schwerkraft. Nur leider funktioniert das nicht wirklich. Neben dem Klobecken entdecke ich einen Pimpel. Ob der rein zufällig hier steht? Ein Schelm der jetzt böses denkt.

14:58 Uhr, mit dem Pimpel hat's funktioniert. Ich glaube, das war kein Zufall, der wurde gezielt hier deponiert.

16:20 Uhr, ich hatte, wie immer vergeblich, versucht etwas zu schlafen. Ich verstehe nicht wie Holger das immer auf die Reihe kriegt. Der hat irgendwie einen antizyklischen Schlafrhythmus. Im Prinzip kann der sich zu jeder Tages- oder Nachtzeit hinlegen. Der schläft immer. Ich beneide solche Menschen.

16:30 Uhr, laut Gruppenplan steht jetzt ein Spaziergang an. Wir haben beschlossen vorne übers Schleusentor zu machen und dann auf der andere Seite vom Kanal in Richtung Wehr zu gehen.

16:38 Uhr, auf halber Strecke versperren uns einige Hindernisse den Weg. Es handelt sich um riesige aus einer Art Pferdeäpfeln aufgetürmte Haufen. Aber rein vom Pferd sind die nicht. Das sieht nur so ähnlich aus. Kuh scheidet auch aus, die lässt das dort fallen wo sie gerade steht und nicht gezielt immer auf den selben Haufen. Außerdem tendiert das bei Kühen eher zur Tellerform als zum Apfel. Husti meint:"Klar ist das Pferd! Kleene Pferde scheißen immer auf ein und den selben Haufen.". Na gut, der ist schließlich 'Ingenieur' und muss sowas wissen. Wie ich den kenne, würde der ja am liebsten 'ne Kostprobe nehmen oder wenigstens mal dran riechen.  

17:00 Uhr, wir sind hinten am Wehr angekommen. Hier stehen auch noch Reste einer alten Mauer. Keine Ahnung was das mal war oder werden sollte. Aber auf alle Fälle sieht es irgendwie 'historisch' aus. Somit können wir gleich zwei Punkte auf unserer 'to do list', wie der Deutsche neuerdings sagt, abhaken. Körperertüchtigung und Kultur, darauf einen Whiskey. Quaddel hat in weiser Voraussicht einen seiner diversen Flachmänner eingesteckt. Prost!

17:24 Uhr, wir sind wieder an Bord. Um den Überblick zu behalten mache ich eine Blitzinventur. Der Check ergibt folgenden Bestand: 7(sieben)Fl Whiskey, 1Fl Rum, 1Fl Bommerlunder. Der aktuelle Bestand an ungeöffneten Flaschen gibt mir ernsthaft Grund zur Besorgnis. Auf dem Tisch steht auch noch eine Flasche Whiskey. Die ist zwar bereits angefangen, aber momentan steht die nur ungenutzt rum. Der Schwung und Elan der ersten beiden Tagen scheint verflogen zu sein, die Luft ist raus. Früher gab es solche Momente auch, aber da war das nicht schon am zweiten Tag. Vielleicht liegt's ja auch daran, daß wir dieses Jahr erstmals Personen Ü-60 mit an Bord haben.  

17:38 Uhr, der Smutje hat 'ne gute Idee:"Hat jemand Bedarf an einer Tasse Kaffee?".

18:46 Uhr, Grube steht draußen auf dem Steg, hat sein Handy am Ohr und gibt die Tageszusammenfassung an "B." durch.

18:54 Uhr, da es hier wie bereits erwähnt keine Möglichkeit gibt den Abend im Pub zu beenden, wird offiziell ein Heimabend eingeleitet. Ich versuche es mit etwas Kultur und lege eine von meinen Tour-DVD's ein. Das Intro läuft bestens, aber dann bleibt plötzlich wieder das Bild stehen. Das verstehe ich nicht, in Banagher hatte das doch noch problemlos funktioniert. Auch die anderen DVD's verhalten sich nicht viel besser. Scheiße, da wird's wohl doch wieder Alkohol statt Kultur.

19:12 Uhr, es gibt Abendbrot, auf dem Tisch das Standardprogramm. Schinken, Salami, Käse, Blutwurst, Leberwurst, Sülzblase, Gurken, Lauchzwiebeln und natürlich Guinness, Whiskey und U-Berg.

19:30 Uhr, erste zaghafte Versuche mit der Pulle Jameson werden gestartet. Das Experiment verläuft ganz gut, bis sich Dieter plötzlich Zucker ins Guinness haut. Das wiederum haut mich, und zwar fast vom Sofa.  Der ist echt pervers. Sowas hat noch nicht mal Husti drauf gehabt. Und der ekelt sich, außer vor Steak mit Mintsoße, vor gar nichts.

19:50 Uhr, Grube und Holger haben beschlossen nochmal ihr Glück mit der Angel zu versuchen. Ich glaube zwar nicht, daß die um die zeit noch was fangen. Irgendwann haben die Hechte auch mal Feierabend. Aber so sind die wenigstens beschäftigt und weg von der Straße. Grube will nochmal wie im Jahre 1997 einen 'Schleusenhecht' fangen

20:14 Uhr, ohne Schleusenhecht kommen die beiden Helden zurück. Grube sieht etwas leicht verdreckt aus. Der hat sich mit einem Schlammloch angelegt. Fluchend sitzt er auf dem Rand vom Boot und säubert seine Schuhe und Hose.

20:30 Uhr, Dieter haut sich schon wieder Zucker in sein Guinness.  

21:04 Uhr, es wird wieder öfters zur Whiskeyflasche gegriffen. Das Guinness läuft auch ganz gut, ich bin zufrieden mit der Crew.

21:34 Uhr, irgendwer hat ein Foto von der 'Bombenstimmung' hier an Bord gemacht. Das war der Auslöser für alle anderen auch mal auf den Selbigen zu drücken. Ein wahres Blitzlichtgewitter geht los. Plötzlich fotografiert jeder jeden. Das ist zwar nicht wirklich sinnvoll, vertreibt aber irgendwie, wenn auch nur kurzfristig, die Langeweile.

21:50 Uhr, Dieter meint, daß jetzt langsam Zeit für ein "Betthupferl" wäre. Mir ist zwar nicht klar ob der wirklich ins Bett will oder nur einen Grund sucht um Alkohol zu trinken.

22:02 Uhr, die Idee mit dem Betthupferl war nicht wirklich zielführend. Für die beiden Ü-60'er sowie Grube und Holger war das ein willkommener Grund sich in ihre Schlafgemächer zurückzuziehen. Ab jetzt sind wir nur noch zu zweit. Gut, das hat aber den Vorteil, daß man öfter dran kommt, wenn die Flasche Jameson in die Runde gereicht wird, oder?

22:30 Uhr, jetzt aber wirklich ein Betthupferl, und dann Licht aus.


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