Eine Horrornacht

08:06 Uhr, das war eine absolute Scheißnacht. Heftiger Sturm und Regen haben dazu geführt, daß an erholsamen Schlaf nicht zu denken war. Eigentlich habe ich gestern das Boot gegen die Strömung angelegt, damit die uns nicht permanent vorne auf den Anleger schiebt. Das hat im Prinzip auch funktioniert. Allerdings hat uns dann der Wind, der dummerweise von hinten kam, immer wieder nach vorne auf den Anleger gedrückt. Diese Wechselwirkung zwischen Strömung und Rückenwind hat dann dazu geführt, daß das Boot fast im Minutentakt an den Anleger gerammelt ist.
Wenn man jetzt denkt, daß alle beschissen geschlafen haben und deshalb der Tag evtl. mal etwas später beginnt, hat man falsch gedacht. Sobald sich Personen Ü-60 an Bord befinden, gibt es einfach keine Ruhe, nicht mal am heutigen Feiertag. Himmelfahrt ist nämlich der eigentliche Grund unseres jährlichen "Angelausflugs" nach Irland. Unter diesem Begriff verkaufen wir das zumindest unseren Ehefrauen und Lebensabschnittsgefährtinnen. Wenn 'Mann' da fragt:"Schatz, darf ich mal mit den Kumpels 'ne Woche weg und paar Bier trinken?", braucht man gar nicht erst auf die Antwort warten. Das wäre ungefähr so als wenn man 'nen Deutschen Politiker fragt, ob er freiwillig auf eine Erhöhung seiner Diäten verzichtet.  


       Hechte ohne Ende

09:00 Uhr, mittlerweile scheint die Sonne und es ist trocken, aber noch ziemlich kalt.

09:04 Uhr, Quaddel kommt vom Bäcker. Dank neuer Ersatzteile im Hüftbereich ist der wieder gut zu Fuß und die morgendliche Versorgung mit frischen Backwaren gesichert.

09:10 Uhr, es gibt Spiegelei . Ob der Smutje dafür den Heber, Rührer oder sonstige Spezialgeräte verwendet hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Wie aber gestern bereits erwähnt, ist mir das mittlerweile auch egal. Ich würde mich auch ehrlich gesagt gar nicht trauen diesbezüglich nochmals eine Frage zu stellen.

09:26 Uhr, Holger greift nach links ins U-Fach.

09:56 Uhr, es regnet wieder. Dieter kümmert sich ums Auffüllen der Wassertanks. Husti sitzt auf seinem Bett und liest. Bestimmt ist das wieder so ein 'Frauenversteherbuch'. Grube hat "B." am Telefon und macht seine morgendliche Meldung.

10:24 Uhr, wir legen ab. Die Schleuse macht halb Elf auf. Könnte gerade so klappen, daß wir gleich reinfahren können.

10:38 Uhr, das Timing war perfekt, wir fahren aus der Schleuse.Holger steht schon mit der Angel in der Hand und wartet bis ich endlich auf Schleichfahrt gehe. Quaddel sagt zu Grube:"Wenn Du wieder sagst 'ein Großer', brauchen wir das Gaff gar nicht erst holen!".

11:02 Uhr, "Halt, Hecht!" Endlich hat Holger auch was am Haken. Das muss für ihn wie eine Erlösung sein. Noch dazu, daß Grube schon zweimal zugeschlagen hat.

11:06 Uhr, der Hecht ist an Bord. "Siehste Grube, so große Teile fängst Du nicht!", sagt Holger. "Na und, ich hab aber den Ersten.", entgegnet Grube und fügt noch hinzu:" Tja Quaddel, jetzt ist nur noch die 3 übrig für deine Medaille.".

11:10 Uhr, "Hecht! Scheiße, abgegangen!". Das wäre beinahe Grubes dritter Streich gewesen.

11:12 Uhr, Dieter bringt Tee. Der Wind hat merklich zugenommen. Als ich die Tasse ansetze, bläst mir der Wind den Tee ins Gesicht. Scheiße, das war echt heiß.

11.14 Uhr, "Halt, Hecht!", Holger hat den nächsten Fisch am Haken.

12:10 Uhr, das Pinkelmännchen drängelt. Ich übergebe das Steuer an Dieter und verschwinde kurz unter Deck. Auf dem Tisch im Salon sehe ich die Literpulle einsam und ungenutzt rumstehen. Die schaut mir direkt in die Augen und scheint mir sagen zu wollen:"Nimm mich! Koste mich!". Ich komme einfach nicht dran vorbei. Als ich dann so mit der Flasche in der Hand dastehe, meint Husti, daß ich wie Amundsen aussehe.

12:20 Uhr, ich befinde mich inzwischen wieder an meinem Arbeitsplatz. Wind und Wellengang sind jetzt schon heftig. Husti unter Deck leidet bestimmt. Ausgerechnet jetzt 'verfängt' sich wieder so ein blöder Hecht an Grubes Angelhaken. Bei dem Seegang hab ich echt Mühe das Boot auf Position zu halten. Erschwerend kommt hinzu, daß ich mit einer Hand noch die Videokamera halten muss um Grubes Kampf mit dem 'Flussmonster' zu filmen. Ich stehe nach hinten gewandt und bin voll aufs Filmen konzentriert. Plötzlich schaukelt sich das Boot dermaßen auf, daß ich fast über Bord gehe. Verhindert hat das nur ein reflexartiger Griff mit der linken Hand zum Steuerrad, wo ich glücklicher weise Halt gefunden habe.

12:34 Uhr, Grube steht mit der Whiskeyflasche neben mir und will auf seinen 3. Hecht anstoßen.

12:40 Uhr, der Smutje meint:"Einen brauchen wir noch! Dann gibt's heute Abend Hechtspieße.".

13:00 Uhr, es sieht gut aus für die Hechtspieße. Holger hat wieder zugeschlagen. Diesmal gebe ich, obwohl ich irgendwie kein gutes Gefühl habe, Husti die Kamera um zu filmen. Um es vorweg zu nehmen, auch diese Aufnahme wird in die Hose gehen. Der hat den Startknopf erst dann gedrückt, als er fertig mit filmen war und vermeintlich den Endeknopf gedrückt hat. Jetzt hab ich aber 'nen 'schönen' Film wo sich der Smutje beim Gang in die Kombüse und wieder hoch auf Deck selber die Füße filmt. Da muss man den Spruch vom Schuster und seinen Leisten glatt neu definieren. "Smutje bleib bei deinen Töpfen!" 

13:20 Uhr, Dieter bringt mir schon wieder 'nen Tee. Langsam muss ich aber aufpassen. Bei zu viel Tee hat man schell die 0,8-'Kamille' Grenze überschritten.  
Diesmal drehe ich mich aber vorsorglich gegen den Wind, damit ich nicht wieder alles ins Gesicht bekomme. Zack, eine plötzliche Welle von der Seite bewirkt, daß ich mir das heiße Zeug über die Hose kippe. Jetzt hab ich aber die Schnauze voll. In Zukunft gibt es bei Seegang nur noch Kaltgetränke. Schluss mit angeln, wir fahren jetzt auf schnellstem Weg bis Shannonbridge und gehen dort an den Anleger. Ich habe keinen Bock bei diesem Wetter noch länger hier draußen rum zu dümpeln. Grube stimmt dem sofort zu und setzt sich mit der Literpulle neben mich. Ich könnte mir aber vorstellen, daß diese Zustimmung nur deshalb kommt, weil er 3:2 führt, und Holger somit keine Chance mehr hat mit ihm gleichzuziehen.  


       Smoke On The Water

13:50 Uhr, wir haben in Shannonbridge angelegt.

14:10 Uhr, die Stimmung ist hervorragend, sicher auch eine Nachwirkung der heutigen Fangerfolge. Die Literpulle steht kurz vor ihrem Ende. Quaddel ist damit beschäftigt das U-Fach aufzufüllen. Das ist immerhin schon das zweite mal. Die Ressourcen scheinen dieses Jahr schier unbegrenzt zu sein.Grube, vom Alkohol scheinbar etwas enthemmt, meint:"Um Hecht zu fangen, muss man auch das nötige Können haben! Ich hab jedenfalls den Ersten und den Größten!" . Gut, das mit dem Ersten ist unbestreitbar, aber das Andere? "Da müssen wir erst 'B.' fragen ob das wirklich stimmt!" 

14:30 Uhr, auf dem Speiseplan steht für heute Eisbein mit Sauerkraut. Das Sauerkraut gibt’s mit und mit ohne Zucker. Warum bei Variante 1 Zucker dran ist, verstehe ich sowieso nicht. Wie der Name es schon beschreibt, muss Sauerkraut sauer sein. Da hat Zucker nichts dran zu suchen. Sonst würde es ja auch Süßkraut heißen. Aber es wird immer Menschen mit sonderbaren Geschmäckern geben. Dieter trinkt ja neuerdings auch Guinness mit Zucker. Apropos, das Guinness ist schon eingeschenkt und U-Berg steht auch da. Perfekt, da fehlt nur noch das Eisbein.
Quaddel und Holger haben die Plätze getauscht. Quaddel will eben auch mal neben dem Käpt'n sitzen. Immerhin war er ja schon mal 1.Offizier unter "Jo" (Gott hab ihn selig)"Mensch Quaddel, wenn das 'S.' erfährt, da bist Du ganz vorne dran!".

14:32 Uhr, der Smutje serviert das Eisbein. Ich als Käpt'n bekomme es natürlich bereits ausgelöst, also ohne Knochen. Ich hasse es an Knochen rumnagen zu müssen, bin doch kein Hund. Das ist so eine Art "Gentlemen's Agreement" zwischen mir und dem Smutje. Er macht mir Makkaroni mit ohne roter Soße, Sauerkraut ohne Zucker und Eisbein ohne Knochen. Ich versuche im Gegenzug unser Boot immer im ruhigen Fahrwasser zu halten und die Überquerung großer Seen zu vermeiden. Kulinarisch bekomme ich so ziemlich jeden Sonderwunsch von ihm erfüllt. Außer bei Käse, da muss er noch an sich arbeiten.  

14:50 Uhr, wie immer war das Essen sehr gut. Der U-Berg hat seine Arbeit aufgenommen, und wir befinden uns in der Vorverdauungsphase.

15:34 Uhr, die Frage "Mittagsschlaf?!?" steht im Raum. "Klar wie immer, also gehen wir's an!". Ich verzögere diese Spontanaktion mit den Worten:"Aber erst wenn die Literpulle alle ist!".

15:36 Uhr, die 1L Jameson ist alle!

16:12 Uhr, die Stimmung ist bestens. Für den Bauleiter aber irgendwie ein Grund schlafen zu gehen.

16:18 Uhr, Grube kümmert sich um den Aufwasch, "Guter Mann!"

16:24 Uhr, aus den Lautsprechern tönen die Stones mit "I can't get now Satisfaction", jetzt steppt der Bär.

16:30 Uhr, "Smoke on the Water" von Deep Purple. Diesmal kommt der Sound aber nicht vom USB-Stick sondern aus meiner Hosentasche. Das ist der Klingelton von meinem Handy. Irgendwie muss ich ja auch mal telefonieren, und wenn's nur ankommende Gespräche sind. Es ist "K." die anruft, und mir und der Crew Alles Gute zum Herrentag wünscht.

16:36 Uhr, draußen schüttet es mal wieder wie aus Eimern. Holger & Grube seilen sich ab. Die verschwinden in ihren Kojen.

16:42 Uhr, Quaddel und ich probieren noch diverse Flachmänner die hier so rumstehen. Da tauchen irgendwie auch ständig neue auf. So viele von den Dingern hatten wir noch nie mit, glaube ich.

16:50 Uhr, "Ich gehe jetzt ins Bett", meint Quaddel. "Es sei denn Olli raucht noch Eine". Ich stecke mir schnell ein Zigarillo an.  

17:00 Uhr, "Da war's nur noch Einer.". Quaddel und Dieter gehen auch pennen.

17:10 Uhr, schon wieder "Smoke on the Water", diesmal ist es mein Sohn der Alles Gute wünscht. Er selber ist heute auch mit paar Kumpels unterwegs. Ich erzähle ihm, daß ich fast über Bord gegangen bin und er beinahe 'Halbwaise' geworden wäre. Die spontane Antwort:"Geil, da hätte ich wohl sogar noch Waisenrente bekommen?", beweist mir, daß er wirklich mein Sohn ist und mir nicht vor dreißig Jahren nur untergejubelt wurde.  

17:12 Uhr, ich drehe noch schnell ein Video vom Leben an Bord. Obwohl wenn 83,34% der Besatzung schläft, kann man nicht wirklich von 'Leben' sprechen.

17:14 Uhr, Grube schläft ohne zu schnarchen oder Flatulenzen zu haben. Das ist die Gelegenheit auch mal 'ne Mütze voll Schlaf abzubekommen.


       Hechtspieße und Livemusik die keine ist

19:34 Uhr, alle haben schon ihr Dienstkleid angelegt. Der Smutje ist nicht untätig gewesen. Die Hechtspieße sind fertig, und müssen nur noch in die Pfanne.

20:00 Uhr, Quaddel telefoniert mit "S."

20:14 Uhr, der Smutje reicht Hechtspieß an Lauchzwiebel und grüner Gurke. Guinness und U-Berg kommen selbstredend auch noch dazu. Wie alles was die Werkstadt von unsere Smutje verlässt, ist auch der Fisch geschmacklich erste Sahne. Wenn man bedenkt, daß der vor wenigen Stunden noch ahnungslos und bei bester Gesundheit im Shannon geschwommen ist. Also frischer kann man Fisch nicht zubereiten.

20:38 Uhr, Dieter bring die Bommerlunder ins Spiel. Er kredenzt wieder seine Eigenkreation mit Sardelle und Plastikspieß. Auf die Sardelle kann ich allerding verzichten. Die reiche ich, wen wundert's, an Husti weiter.
Früher haben sich die Leute ein Hausschwein gehalten. Das war dann für alle ungenießbaren Sachen verantwortlich. Heute reicht es, wenn man Leute wie Husti oder Quaddel an Bord hat. Wobei Quaddel eher für die Überkapazitäten von Nahrungsmitteln zuständig ist. Da kommt nichts um.  

20:50 Uhr, angesichts unseres heutigen Ehrentages genehmige ich mir eine Zigarre. Grube, der sich in solchen Angelegenheiten immer als wahrer Freund auszeichnet, steckt sich auch so einen Bolzen ins Gesicht.

21:30 Uhr, ohne Quaddel, der wie üblich pennt, aber mit Medaille um den Hals und im Dienstkleid, starten wir zum abendlichen Besuch im Pub. Laut Plakat vom Dienstag soll im Killeen's heute Livemusik sein.

21:42 Uhr, nur noch ein Tisch ist frei, genau neben dem Tisch mit den Musikern. Zumindest haben die alle ein Instrument neben sich. Da sitzen wir ja sozusagen in der ersten Reihe. Klasse, das wird bestimmt ein schöner Abend.Wir haben kaum Platz genommen, da kommt Luise Killeen persönlich an unseren Tisch. Sie entschuldigt sich und teilt uns mit, daß heute leider keine Musik ist da ein alter der Familie nahestehender Mann hier aus dem Ort gestorben ist.
Das war's dann mit dem schönen Abend. Naja, aber wenn wir schon mal hier im Pub sitzen, so ein, zwei oder auch drei Guinness sollten es schon sein, oder?

21:50 Uhr, die vermeintlichen Musiker am Nachbartisch 'enttarnen' sich als Schweizer Bootstouristen. Die sind ebenfalls hier wegen der angekündigten Musik und wollten eigentlich selber mitspielen. Deshalb haben die auch ihre Instrumente mitgebracht.

22:00 Uhr, ein ganz gut Deutsch sprechender Schotte mit Gitarre setzt sich mit an den Nebentisch. Nach kurzem Gespräch beginnen er und einer der Schweizer Gitarre zu spielen. Das 'nicht'-musizieren bezog sich offenbar nur auf die hier ortsansässigen Besucher. Uns soll es Recht sein. Die beiden machen eigentlich ganz gute Musik. Jetzt spielt noch ein zweiter Schweizer mit dem Schifferklavier mit. Die spielen alles quer Beet. Aktuelle Musik, traditionell Irische Musik und auch Musik bzw. Lieder in Schweizer Mundart. Der Applaus hier im Pub hält sich allerdings in Grenzen. Das liegt aber sicher an dem erwähnten Todesfall.

22:28 Uhr, wir kommen mit paar Bayern ins Gespräch. Was ich besonders cool finde ist, daß einige von denen in der Tracht hier erschienen sind. Die wollen morgen auch zu J.J Hough. Wir verabreden uns schon mal prophylaktisch auf ein Guinness für morgen Abend.

22:36 Uhr, jetzt kommt mein großer Trumpf zum Einsatz. Ich habe mir vorsorglich, kurz bevor wir gegangen sind, einen von Quaddels Flachmännern eingesteckt. Der kommt jetzt besonders gut.

22:40 Uhr, ich hole noch 4 1/2 Guinness am Tresen. Für wen das 1/2 ist muss ich sicher nicht mehr erwähnen.

23:44 Uhr, wir sind wieder an Bord. Auf dem Tisch stehen 3 (drei) Flachmänner und 'diverse' Alkoholika. Ob das nun endlich die letzten Flachmänner sind, kann ich nicht sagen. So wie ich Quaddel kenne, können da jeder Zeit noch weitere auftauchen.

00:20 Uhr, irgendwie wird nur noch von der Arbeit gequatscht. Besonders Grube tut sich da hervor. Ich habe das Gefühl, der vermisst das etwas.

00:36 Uhr, heute bzw. gestern haben wir scheinbar einen Lauf. Der dritte und (vorläufig) letzte Flachmann ist in Arbeit.

00:52 Uhr, alle drei Flachmänner haben das Zeitliche gesegnet. Schluss aus Ende, Licht aus.


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